Wie ich 2-4 Mal mehr passende Stellenbewerber:innen für meine Jobs gewinne

Wie ich 2-4 Mal mehr passende Stellenbewerber:innen für meine Jobs gewinne
Artikel aktualisiert am 24.02.2022

Warum Candidate-zentriertes Recruiting mir mehr bringt als Recruiter-zentriertes …

Die Candidate Experience ist mitentscheidend dafür, ob sich mein Stellenangebot als Erfolgsstory oder Totgeburt entpuppen wird. Wann habe ich mich das letzte Mal in die Rolle einer Bewerberin oder eines Bewerbers versetzt? Vermutlich anlässlich meiner eigenen, letzten Bewerbung. Denn als Recruiter oder CEO habe ich mir (leider) angewöhnt, Recruiter-zentriert (bzw. Chef-zentriert), statt Candidate-zentriert zu agieren. Was den Unterschied ausmacht und worauf es ankommt, erfahre ich in diesem Beitrag. Hinweis: Dieser Artikel ist in ICH-Form verfasst; wenn ich im Folgenden von ICH schreibe, dann meine ich damit jede Leserin und jeden Leser gleichermassen.

Dort publizieren, wo Bewerber (m/w/d) hinschauen

  • Weiss ich, über welche Rekrutierungskanäle meine Bewerber kommen? Wenn ich nicht über eine Software verfüge, welche mir mittels statistischer Auswertungen (Key Performance Indikatoren) aufzeigt, aus welchen Medien ich die meisten und vor allem die passendsten Kandidaten rekrutiere, dürfte die Beantwortung dieser Frage echt schwierig werden.
  • Denn Bewerber wünschen sich, dass ich meine Stellenangebote dort publiziere, wo sie am meisten hinschauen, beispielsweise in jenen (auch sozialen) Medien, welche die Bewerber am häufigsten benutzen.
  • Ein Candidate-zentriertes Recruiting für Stellen mit wenig Bewerbern erfordert zwingend eine Sourcing-Strategie mittels zusätzlichem Social Recruiting und Active Sourcing, wie die nachfolgende, beispielhafte  Auswertung verdeutlicht:
Active Sourcing für Stellen mit wenig Bewerbern
  • Lesehilfe: Die meisten Arbeitslosen (Spalte AA) bewarben sich via Jobbörsen (38%) oder starteten die Jobsuche via Google (37%). Der Anteil Finalisten (Bewerbende, welche die Grundvoraussetzungen erfüllten und über ein hohes Potenzial verfügten [Pot alle; 1 = Bestwert]) aus diesen Kanälen war entsprechend gering (37 bzw. 43%). Ähnlich wenige Finalisten brachte die Karriereseite der Firma (40%).
  • Wenn ich also nicht weiss, aus welchen Beschaffungskanälen meine Bewerber kommen und aus Gewohnheit oder Bequemlichkeit “nur” die üblichen Kanäle wie Job-Plattformen und manchmal auch teure Personaldienstleister einbinde, dürfte die Personalbeschaffung sprichwörtlich wahnsinnig harzig werden. Ganz nach Einstein’s Definition des Wahnsinns – immer das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten.

Auffallen, Bewerber anders ansprechen, neugierig machen

  • Bin ich immer noch der “klassischen” Ansicht, eine gut strukturierte und textreiche Stellenanzeige vermöge im Dschungel der Tausend Mitbewerber-Angebote auf den gängigen Job-Plattformen noch aufzufallen? Dann dürfte ich es schwer haben, um mich von Mitbewerbern abzuheben und Bewerber neugierig zu machen:
Bild Einheitsbrei-Stelleninserate
  • Welche Bewerberin oder Bewerber fühlen sich von meinem Angebot von wiederhold verwendeten und in der Regel hinzugekauften Standard-Bildern und langen Textsequenzen mit teils überrissenen Stellenanforderungen noch angezogen? Wohl nur jemand, der die vielen Text-Informationen dazu verwendet, seine Bewerbungsunterlagen mit meinen Inhalten zu “frisieren”, sprich: das CV anforderungsgerecht mit nicht wirklich zutreffenden Inhalten zu ergänzen und somit zu manipulieren.
  • Auffallen werde ich jedoch, wenn ich die Macht von Bildern nutze und mehrere aus der eigenen Unternehmenspraxis stammende Bilder verwende. Bilder, die ins Auge springen. Bilder, die Bewerbende interessieren und positive erste Eindrücke hinterlassen.
  • So etwa Bilder, welche einen Einblick in das Unternehmens- und Arbeitsumfeld geben, wie (Flug-)Bilder eines Firmenareals, einer Arbeitsstelle in der Produktion oder Büro vor Ort, Fotos von Co-Workern und Arbeitsteams, mit welchen ich zukünftig zusammenarbeiten werde. Kurz: Mit authentischen Fotos (und gegebenenfalls auch Videos):
Bild Lean Recruiting Trichter Verstärkungswunsch-Stelleninserate
  • Und nicht zu vergessen: Fotos der Ansprechpersonen. Idealerweise ein Bild der oder des direkten Vorgesetzten und der zuständigen HR-Kontaktperson, je mit Namen und Funktionsbezeichnung. Das schafft Nähe, Vertrautheit, ein Gefühl des Eingebundenseins und günstige Voraussetzungen für den elementaren Team-Fit einer jeden Stellenbesetzung.
  • Wie möchte ich mich passend angesprochen fühlen? Mit “Zur Erweiterung unseres Teams suchen wir eine/einen XY” oder mit “Liebe HR-Profis …”? Und wie lässt sich mein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle wecken? Mit einer Standard-Funktionsbezeichnung und langweiligen Text-Sequenzen, wie sie auf Hunderten von gleichnamigen Stellenausschreibungen auch zu finden sind? Oder mit einer von Suchmaschinen wie Google aufzufindenden variierten Funktionsbezeichnung und einer Bild-Geschichte, welche meine zukünftige Rolle im Unternehmen untermalt und verdeutlicht? Ich weiss die Antwort.

Das Interesse von Bewerbern wecken und steigern

  • Schön und gut, wenn ich auf meiner Karriere-Seite auch Informationen zum Ablauf meines Bewerbungsprozesses verfügbar mache.
  • Doch Interesse-weckend ist es nicht, wenn ich als Bewerbender erfahre, dass ich als erstes einmal ein Benutzerprofil anlegen und mein schön aufbereitetes CV dann praktisch 1:1 nochmals digital eingeben muss. Das schreckt vielmehr ab.
  • Oder wenn ich realisiere, dass alle Bewerbungsunterlagen in einem zeitraubenden Vorauswahlverfahren von einer ungenannt bleibenden HR-Fachkraft vorab gesichtet werden, um frühestens nach drei langen Wochen im besten Fall zu einem Erstgespräch mit HR eingeladen zu werden?
  • Nur, was ist wirklich Interesse weckend? Was wünschen ich mir im Idealfall? Antwort: Ich möchte möglichst schnell wissen, wer und wie mein zukünftiger Chef sein wird und mich von diesem möglichst persönlich angesprochen fühlen – nicht von einer HR-Kontaktperson!
Studie der Uni Stuttgart zur Candidate Experience
  • Wenn ich die oder den Vorgesetzte/n vorab telefonisch für weitere Informationen kontaktieren kann, umso besser. Denn Informationen aus erster Hand sind bekanntlich Gold wert und das Telefonat gibt mir erste Hinweise darauf, ob auch der Team-Fit passen könnte.
  • Wenn ich mir als Vorgesetzter allerdings die vielen Telefonate sparen möchte, bietet sich mir auch die Möglichkeit, mittels eines “virtuellen” Fachgespräches – ein Online-Fragenkatalog zur Erfassung des Erfüllungsgrades der Stellen-Grundanforderungen – Bewerbern meine wirklich interessierenden, stellenbezogenen Fragen zu stellen und Antworten anschliessend auch im Quervergleich auswerten zu können:
  • Anhand der Beantwortung der Fragen kann ich als Bewerber meine Fach-Kompetenz nachweisen und zudem schnell erkennen, ob das Job-Angebot auch meinen Vorstellungen und Neigungen entspricht. Damit bietet sich mir gleich schon zu Beginn des Bewerbungsprozesses die Chance, meine Individualität und Person in den Prozess einzubringen und mich von anderen Bewerbern abzuheben – das untermauert letztlich meine daraus resultierende durchwegs positive Candidate Experience:
Das Subjektive Gefühl der Kontrolle im Bewerbungsprozess
  • Entscheidend ist also, mit möglichst wenig Informationen das Interesse von Bewerbern zu wecken und diese als Erstes zu veranlassen, im Stelleninserat einen Link zu klicken, welcher den Online-Fragenkatalog startet und damit den eigentlichen, weitgehend automatisierten Rekrutierungsprozesses in Gang setzt.
  • Bloss einen Link zu klicken ist für mich als Bewerber wesentlich aufwand-ärmer als die eingangs erwähnte Benutzerprofil- und Daten-Erfassung. Und die Automatisierung der Vorauswahl bietet mir als Recruiter oder Vorgesetzter echte Transparenz und Objektivität bei der Beurteilung der eingegangenen Bewerbungen.

Bewerber freundlich und zuvorkommend behandeln

  • Was mache ich, wenn ich jemanden kennenlernen möchte? Ich zeige mich von meiner besseren Seite, achte darauf, nicht brüskierende Aussagen zu machen, passe mich meinem Gegenüber mittels Gestik und Mimik  (sog. Pacing) an, bleibe freundlich und zuvorkommend.
  • Gut ausgebildete und erfahrene HR-Recruiter machen das meist auch. Doch wenn ich zunächst drei Wochen auf ein Erstgespräch warten muss und in diesem Gespräch feststelle, dass meine wirklich interessierenden Fragen nicht beantwortet werden konnten, bringt das beiden Seiten nur wenig bis gar nichts.
  • Selbst die freundlichste und zuvorkommendste Behandlung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für HR-Recruiter immer schwieriger wird, fachbereichs-spezifische Fragen zu einer Stelle ausreichend zu beantworten – Fragen, welche ja meinem Hauptinteresse gelten. Zudem erinnern mich diese “Sympathie-Checks” an Prüfungssituationen, sodass ich mich damit nicht wirklich wohl fühle und merke, wie abhängig ich eigentlich vom Urteil eines HR-Recruiters bin. Fällt dieses negativ aus – aus welchen Gründen auch immer – komme ich im Prozess nicht weiter. Endstation.
An HR Recruiters Statement

Bewerbern schneller Antwort geben

  • Wer kennt das nicht: Nachdem ich mich mühsam mit der Profil- und Dateneingabe abgequält habe, erhalte ich eine kurze Onscreen-Mitteilung oder eine E-Mail zur Bestätigung, dass meine Bewerbung eingegangen sei, diese im Rahmen des (auf der Karriere-Seite dokumentierten) Bewerbungsprozesses gesichtet und beantwortet werden wird. Häufig unterzeichnet von einem anonymen Absender wie “Ihr HR-Team”.
  • Arbeitgeber, welche noch nicht über ein Bewerbermanagement-Tool verfügen, tendieren häufig auch dazu, mich als Bewerber vollkommen in der Schwebe und Ungewissheit zu halten. Selbst ein kurzes Bestätigungsschreiben ist schon zu viel, Wen wundert es dann nicht, wenn ich mich als guter Kandidat zwischenzeitlich andernorts beworben oder gar schon zugesagt habe.
  • Wie würde ich mich umgekehrt fühlen, wenn ich von einer namentlich erwähnten Kontaktperson gleichentags eine Eingangsbestätigung erhielte, sie mich wissen lässt, wie es weiter geht und mir zeitnah (meist innert Wochenfrist) zu- oder abgesagt würde?
  • Wäre dies nicht auch ganz in meinem Sinne und Interesse? Dass ich schnell weiss, ob ich mir reelle Chancen auf die Stelle ausrechnen kann oder gleich ein klares No Go-Feedback erhalte, damit ich mich ohne grossen Zeitverlust andernorts auf eine andere Stelle bewerben kann? Oder mit der Beantwortung des Online-Fragenkataloges schnell erkennen konnte, dass der in Frage stehende Job (oder eine Funktion allgemein) nicht wirklich zu mir passt?
  • Eine manuelle, zeitintensive, den Prozess verlangsamende Bewerberadministration ist folglich nicht mehr zeitgemäss. Ein Bewerbermanagement-System, welches Bewerbern zu viele Hürden stellt, allerdings auch nicht. Was wirklich zählt und Resultate bringt, ist ein Bewerbermanagement, das effizient, prozessgesteuert, automatisiert und möglichst aufwandlos für HR funktioniert:
Bild Klassische Bewerbunghürden

Bewerber auch zu ihrer Candidate Experience befragen

  • Wie oft frage ich Bewerbende, wie zufrieden sie mit meinem Bewerbungsprozess waren? Wenn überhaupt, dann vermutlich nur punktuell und sporadisch. Oder wenn die Zahl unbefriedigender Bewertungen auf Kununu, Glassdoor oder Indeed überhand nimmt und mich veranlasst, nicht nur hilflose Gegenstatements zu verfassen, sondern meinen Bewerbungsprozess wohlweislich als Ganzes zu überdenken.
  • Aussagen zur Candidate Experience helfen mir nicht nur, den Prozess zu verbessern. Bewerber fühlen sich ebenfalls positiv von einer Candidate Experience Befragung angetan und sagen mir auch gerne, was gut oder schlecht gelaufen ist. Wenn ich sie dann befrage. Im Bewerbungsgespräch oder nachträglich im Rahmen einer regelmässigen Candidate Experience Befragung im Anschluss an eine Stellenbesetzung.
  • Die Befragung muss daher integrierender Teil des gesamten Bewerbungsprozesses und auf die einzelnen Phasen desselben abgestimmt sein. Wenn ich sequenziell befrage, gewinne ich nützliche Einsichten zur Optimierung des gesamten Prozesses!
Resultate einer Candidate Experience Befragung

Fazit

  • Wenn ich Bewerbernde für mein Unternehmen gewinnen möchte, muss ich mich in das Denken und Fühlen – die Rollenwahrnehmung – von Bewerbern hineinversetzen. Diese unterscheidet sich meist drastisch von jener eines noch nach “klassischen” Methoden operierenden HR-Recruiters oder CEO.
  • Es ist Zeit, sich die Scheu-Klappen abzulegen, das eigene Rollenverständnis als Recruiter den Erwartungen von Bewerbenden anzupassen und den Fokus von einem Recruiter-zentrierten auf einen Candidate-zentrierten Bewerbungsprozess zu richten. Das steigert die Attraktivität meiner Stellenausschreibungen, spricht die passenden Bewerber an und führt damit zu einer steten Verbesserung meines  Mitarbeitendenbestandes.
  • Je schneller ich meinen Rekrutierungsprozess zu einem Candidate zentrierten transformiere, umso besser für die Wettbewerbsfähigkeit meines Unternehmens und für zukünftige Stellenbewerber.

Wenn ich mehr über die konkrete Umsetzung eines zeitgemässen Rekrutierungsprozesses erfahren möchte, rufe ich einfach an – oder nutze eines der aktuellen Beratungsangebote zu den Themen Personal-Werbung und Personal-Rekrutierung.

Herzlichst, Ihr
René Anderegg, lic.oec.HSG

Posted in: Employer Branding, HR Management, HR Prozessoptimierung, Personalmarketing, Recruiting, Talent Management

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